Die vielen Sprachen in meinem Kopf verwirren mich. Seit zwei Jahren habe ich keinen deutschen Text mehr geschrieben. Denn Englisch ist die Sprache, die ich verwende. Ich lese, schreibe und spreche sie jeden Tag. Ich schaue Filme, höre Podcasts oder Musik, natürlich in englischer Sprache. Manchmal muss ich Arbeiten schreiben für die Uni, zum Beispiel über die englische Verneinung. Ja, ich beschreibe die englische Sprache, und zwar in englischer Sprache. Schliesslich liebe ich Englisch! Schon immer war ich fasziniert von dieser wunderbaren, globalen Sprache, die so viele Menschen zu verbinden vermag.
Ich liebe es, sie zu erforschen, mit all ihren Macken und Unregelmässigkeiten. Aber hat Englisch denn überhaupt Macken? Als Linguistin muss ich feststellen, dass fast alle Sprachen ihre Macken haben. Im Englischen sind sie vor allem orthographischer Art. Warum zum Beispiel schreiben wir clean mit den selben Vokalen wie cleanse, sagen aber beim einen ein langes i, während beim anderen ein ä ausgesprochen wird? Ich könnte nun behaupten, das sei bereits im Altenglischen begründet, und möglicherweise ist dem so. Allerdings muss ich zugeben – ich weiss es nicht. Ich habe keine Ahnung. Denn obwohl ich angehende Anglistin bin, von Altenglisch verstehe ich nun wirklich nichts. Meine Schwächen im Studium sind aber nicht Thema dieses Textes…
Wie also kommt es, dass ich trotz meiner Liebe zum Englischen plötzlich anfange, das Deutsche zu vermissen? Liegt es allein daran, dass es meine Muttersprache ist? Oder daran, dass ich das Deutsche nur noch als familiäre Sprache erlebe? In meiner Welt von Anglistinnen und Anglisten wird nur Englisch gesprochen. In meiner Welt als Bloggerin wird Englisch zwar in seiner familiären Form verwendet, doch trotzdem fühlt es sich manchmal so an, als wäre Englisch die akademische Sprache und Deutsch bloss die Volkssprache.
Man kann eine Fremdsprache noch so gut beherrschen, sie bleibt trotzdem eine Fremdsprache. Mittlerweile beschreibe ich meine Englischkenntnisse mit “native-like proficiency”, obwohl ich irgendwo in den Tiefen meines Bewusstseins weiss, dass diese Bezeichnung nicht ganz der Wahrheit entspricht. Natürlich ist mein Englisch gut – ich wage zu behaupten, dass es tatsächlich sehr gut ist. Vielleicht ist es sogar besser als jenes von einigen benachteiligten Familien in englischsprachigen Gebieten, die keinen ausreichenden Zugang zu Bildung haben. Nichtsdestotrotz, Englisch ist und bleibt eine Fremdsprache.
Meist realisiere ich es kaum, doch wenn ich hier so auf Deutsch vor mich hin schreibe, fällt es mir doch auf. Deutsch ist meine Muttersprache und ich werde es niemals verlernen. Deutsch zu schreiben fällt mir leicht, obwohl ich seit Jahren aus der Übung bin. Dieser Entwurf scheint mir bereits besser zu sein als die bearbeitete Version meines letzten Blog Posts, denn die deutsche Sprache habe ich im Blut. Ich brauche keine Wörter und Präpositionen nachschauen. Ich brauche keine Synonyme nachschlagen, denn das jeweils treffendste Wort ist bereits in meinem Kopf. Bevor ich mir überhaupt Gedanken machen kann, steht es auch schon auf dem Papier.
Die Sache macht mich dennoch nicht ganz glücklich. Das Deutsche fliesst mühelos von meinem Kopf aufs Papier. Doch auch das Englische fällt mir leicht! Nicht ganz so leicht natürlich, aber leicht genug, um mir den Spass am Schreiben nicht zu verderben. Schade finde ich bloss, dass das Deutsche in einer globalisierten Welt für mich untergeht. Ich traue mich nicht, meinen Blog auf Deutsch zu schreiben, denn 80% meiner Leserschaft sind aus Grossbritannien und den USA. Vielleicht wäre dies ja anders, wenn ich tatsächlich einige deutsche Texte hochladen würde. Aber wie man so schön sagt: Never change a winning team.